Übersicht
Ausgangslage
Die Schweizer Bevölkerung macht in ihrer Freizeit immer mehr Sport. Dieser langanhaltende Trend hat sich in den letzten Jahren nochmals deutlich verstärkt. Gemäss der Studie Sport Schweiz 2020, zählt heute gut die Hälfte der befragten Personen zu den sehr aktiven Sporttreibenden. Insbesondere das Mountainbiking hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zum beliebten Breitensport entwickelt und stellt heute in vielen Schweizer Naherholungswäldern eine relevante Outdoorsportart dar. Gesundheit und Fitness, die Freude an der Bewegung sowie das Draussen-in-der-Natur-Sein sind wichtige Motive, wobei beim Sport oftmals mehrere Bedürfnisse gleichzeitig befriedigt werden. Am häufigsten betreibt man abends nach der Arbeit Sport. Immer mehr Sportler:innen entscheiden aber flexibel, zu welcher Tageszeit sie raus gehen.
Einerseits ist es sehr erfreulich, dass die Schweizer Bevölkerung im Sinne der Gesundheits- und Bewegungsförderung die Naherholungswälder vermehrt besucht, andererseits stellt dies für das Forstmanagement und das Waldökosystem häufig eine Herausforderung dar. Freizeitaktivitäten bedeuten für Wildtiere häufig eine Störung, welche negative Auswirkungen auf einzelne Individuen aber auch auf ganze Populationen haben können. Wildtiere versuchen diese Störungen zu vermeiden, zum einen mit dem Ausweichen in ungestörte Gebiete, zum anderen mit der Anpassung des tageszeitlichen Rhythmus. Forschende haben in einer Metaanalyse dokumentiert, dass Freizeitaktivitäten bei Wildtieren zu einer deutlichen Erhöhung der Nachtaktivität führen. Dies kann im besten Fall die Koexistenz zwischen Menschen und Wildtieren fördern. Falls nun aber während der Dämmerung und der Nacht ebenfalls vermehrt menschliche Störungen auftreten, kann das bedeuten, dass Wildtierpopulationen weniger widerstandsfähig sind oder isoliert werden. Dies kann sich langfristig negativ auf die Überlebenswahrscheinlichkeit der Population auswirken (Gaynor et al., 2018).
Der gesteigerten Bedeutung der Naherholungswälder und ihrer ökologischer Sensibilität wird auch in der Strategie Freizeit und Erholung im Wald mit den Schwerpunkten «1) Fördern der Gesundheit der Bevölkerung» und «2) Bewahren des naturnahen Waldökosystems» Rechnung getragen. Damit diese zwei Ziele und die dazugehörigen Massnahmen (siehe auch Anhang) erreicht werden können, sind bessere Kenntnisse zu der Nutzung des Waldes durch die Bevölkerung und zu den möglichen Auswirkungen auf das Ökosystem nötig.
Es ist davon auszugehen, dass in den letzten Jahren die Freizeitaktivitäten in den Naherholungswäldern während der Dämmerung und bei Nacht (wie auch am Tag) zugenommen haben, und die Nutzungszahlen in stadtnahen Wäldern weiter ansteigen werden. Allerdings gibt es kaum genaue Zahlen zu dieser These, und die Auswirkungen auf das Waldökosystem bleiben weitgehend unbekannt. In einem Pilotprojekt der Forschungsgruppe Umweltplanung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) wurden in den Jahren 2019 und 2020 die Waldbesuche im Badener Stadtwald im Kanton Aargau während mehrerer Winter- und Sommermonate untersucht (Studie NEST). Dazu wurden Frequenzerhebungen mit automatischen Zählgeräten sowie Befragungen durchgeführt. Die zentrale Erkenntnis war, dass die Waldbesuche mit dem Eintreten der Dunkelheit schnell und deutlich zurückgingen; abends und nachts wurden im Allgemeinen kaum Aktivitäten erfasst. Jedoch wurden insbesondere an Werktagen in den frühen Morgenstunden und am Abend immer wieder Waldbesuche in der Dunkelheit verzeichnet.
Wissenslücken bestehen nach wie vor betreffend der Motivation für einen Waldbesuch während der Dämmerung und der Nacht. Forschende haben 2018 zwar dokumentiert, dass Naherholungsgebiete vor allem im Sommer besucht und breite Schotterwege sowohl als auch schmale Trampelpfade bevorzugt werden. Wichtige Motivationen waren dabei die gute Erreichbarkeit, Möglichkeiten für die Bewegung und die frische Luft. Aufschlüsselungen nach Tageszeit fanden dabei aber nicht statt. Auch die regelmässig durchgeführte Studien WaMos und Sport Schweiz untersuchen die Motivationen für einen Waldbesuch, respektive für sportliche Aktivitäten, wobei ebenfalls nicht nach Tageszeit differenziert wurde.
Fragestellung und Ziele
Somit bleiben die Fragen offen, ob
die Erkenntnisse aus der Pilotstudie NEST auf andere Gebiete übertragbar sind,
welches die Motivationen für einen nächtlichen Besuch in Naherholungswäldern sind und
wie sich Besuchende lenken lassen, damit die Waldökosysteme bei Dunkelheit weitgehend nicht durch Freizeitaktivitäten beeinträchtigt werden.
Es ist anzunehmen, dass Freizeitaktivitäten in ausgewählten Naherholungswäldern bei Dunkelheit intensiver ausgeführt werden als in den Gebieten der Pilotstudie NEST, da dort z. B. mehr spezifische Freizeitinfrastruktur wie beleuchtete Finnenbahn oder offizielle MTB-Trails vorhanden sind. Der Fokus in diesem Forschungsprojekt liegt daher auf denjenigen Naherholungswäldern, in denen ein relativ hoher Nutzungsdruck während der Dämmerung und Nacht erwartet wird.
Mit der Studie soll insgesamt ein Beitrag für ein besseres Verständnis der Freizeitnutzung in Wäldern und an Waldrändern während der Dämmerung und der Nacht geleistet werden. Das vorliegende Projekt baut auf den Grundlagen der Pilotstudie NEST auf. Es ergänzt und vertieft diese sinnvoll. Konkret erfolgt dies mit dem Zusammenzug und der Erfassung von objektiven Daten zur nächtlichen Freizeitnutzung in Naherholungswäldern, in welchen spezifische Freizeit-Infrastrukturen wie z.B. Finnenbahnen, VitaParcours usw. vorhanden sind. Zudem generiert eine Befragung der Besuchenden Kenntnisse betreffend derer Bedürfnisse und Motivationen für einen Waldbesuch bei Dunkelheit. Mit dem erlangten Wissen soll eine fundierte Diskussion über Weiterentwicklungen des Waldes und allfälligen Möglichkeiten zur Besucherlenkung geführt werden können.
Folgende Ziele zur Untersuchung der nächtlichen Freizeitnutzung in Naherholungswäldern wurden festgelegt:
Geeignete Naherholungswälder zur Untersuchung der nächtlichen Nutzung mit a) potenziell hohen Besucheraufkommen in der Nacht und/oder b) spezifischen Infrastrukturen und Fragestellungen (z.B. Nutzung beleuchteter Finnenbahnen und MTB-Trails, Waldränder, Grillplätze usw.) sind in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern evaluiert.
Ein Jahresgang der zeitlichen Nutzungsmuster der Freizeitaktivitäten während der Dämmerung und der Nacht in den festgelegten Untersuchungsgebieten liegt vor.
Die Ansprüche und Motivationen der Freizeitnutzenden, welche sich während der Dämmerung und in der Nacht in den festgelegten Untersuchungsgebieten (siehe Ziel 1) aufhalten, sind bekannt.
Empfehlungen zur naturverträglichen Freizeitnutzung in der Dämmerung und der Nacht sind erarbeitet (z.B. Wirkung von Lenkungsmassnahmen).
Hinweis: In der Erkenntnisse werden diese Ziele aufgenommen und beantwortet.