Lineare Funktionale

4.2. Lineare Funktionale#

Wir betrachten nun spezielle lineare Operatoren, welche in den zugrunde liegenden Zahlenkörper abbilden.

Definition 4.5 (lineares Funktional)

Sei \(V\) ein normierter Raum. Dann nennt man den linearen Operator \(F: V \to \mathbb{K}\) (\(\mathbb{R}\) oder \(\mathbb{C}\)) lineares Funktional.

Wir werden den Begriff Linearform für lineare Funktionale und die Bilinearform im Folgenden häufig antreffen.

Definition 4.6 (Linearform, Bilinearform)

  • Linearform \(f(\cdot)\) ist eine Abbildung

    (4.5)#\[\begin{split}\begin{split} f: V & \to \mathbb{K}\\ v & \mapsto f(v)\quad \text{linear}\end{split}\end{split}\]
  • Bilinearform \(A(\cdot, \cdot)\) ist eine Abbildung

    (4.6)#\[\begin{split}\begin{split} A: V \times V & \to \mathbb{K}\\ (u,v) & \mapsto A(u,v)\quad \text{linear in $u$ und $v$.}\end{split}\end{split}\]

Remark 4.3

  • Die Linearform ist ein äquivalenter Begriff für ein lineares Funktional.

  • Der Stetigkeitsbegriff linearer Operatoren auf das lineare Funktional bzw. Linearform und auf die Bilinearform angewandt bedeutet:

    • die Linearform \(f\) heisst stetig, falls

      \[\exists\ C>0:\quad |f(v)| \le C\ \|v\|_V\quad \forall\ v\in V\]
    • die Bilinearform \(A(u,v)\) heisst stetig, falls

      \[\exists\ C>0:\quad |A(u,v)| \le C\ \|u\|_V\,\|v\|_V\quad \forall\ u,v\in V.\]

Normiert man \(\mathbb{K}\) mit

\[\|\alpha\| := |\alpha|,\quad\alpha\in\mathbb{K}\]

so ist \(\mathbb{K}\) ein Banachraum und damit die Menge aller beschränkten linearen Funktionale auf \(V\) ein Banachraum. Dieser Raum ist insbesondere im Zusammenhang mit partiellen Differentialgleichungen sehr wichtig.

Definition 4.7 (Dualraum von \(V\))

Der Banachraum \(L(V,\mathbb{K})\) aller beschränkten linearen Funktionale auf \(V\) heisst der zu \(V\) konjugierte oder duale Raum und wird mit \(V^*\) oder \(V'\) bezeichnet. Die Elemente des Dual-Raumes bezeichnet man als Distributionen.

Beispiel: Sei \(V\) ein Hilbertraum und \(y_0\) ein beliebiges (festes) Element aus \(V\). Für \(x\in V\) wird durch

\[\begin{split}\begin{split} F : V & \to \mathbb{R}\\ x & \mapsto y = F x := (x,y_0)\end{split}\end{split}\]

ein lineares Funktional \(F\) definiert. (Die Linearität folgt direkt aus den Eigenschaften des Skalarprodukts.) Mit Hilfe der Schwarzschen Ungleichung folgt

\[\|F x\| = |F x| = |(x,y_0)| \le \|x\|\,\|y_0\|\quad\forall\ x\in V.\]

Damit folgt

\[\frac{\|F x\|}{\|x\|} \le \|y_0\|\quad \forall x\in V,\ \text{mit}\,x\not= 0\]

sprich \(F\) ist ein beschränktes lineares Funktional, \(F\in V^*\) mit \(\|F\| \le \|y_0\|\). Da für \(x=y_0\)

\[\|F y_0\| = |(y_0,y_0)| = \|y_0\|^2 = \|y_0\|\, \|y_0\|\]

gilt, folgt

\[\begin{split}\|F\| = \sup_{\substack{x\in V\\x\not= 0}} \frac{\|F x\|}{\|x\|} = \|y_0\|.\end{split}\]

Wir kommen nun zum Rieszschen Darstellungssatz: Beschränkte lineare Funktionale eines Hilbertraumes \(V\) lassen sich besonders einfach darstellen. Die Darstellung aus obigem Beispiel erfasst alle beschränkten linearen Funktionale. Es gilt

Theorem 4.3 (Darstellungssatz von Riesz)

Sei \(V\) ein Hilbertraum und \(F\in V^*\) beliebig. Dann gibt es ein eindeutig bestimmtes \(y\in V\), so dass \(F\) die Darstellung

\[F x = (x,y)\quad\forall x\in V\]

besitzt.

Remark 4.4

Dieser Satz ist das zentrale Ergebnis der Hilbertraum-Theorie. Neben seiner Bedeutung als Darstellungssatz kann er auch als Existenz- und Eindeutigkeitsprinzip aufgefasst werden. Diese Bedeutung des Rieszschen Satzes ist Grundlage für die moderne Theorie der elliptischen partiellen Differentialgleichungen (vgl. auch Abschnitt 10).